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Street- & Reisefotografie – 10 Bilder, 10 Behind-the-Scenes, 10 Tipps
Klaus Wohlmann ist Profifotograf und einer unserer Friends with Vision. Er lebt und arbeitet in Köln und ist bereits seit 1993 ist er freischaffender Maler und Fotograf. Seine zwei großen Leidenschaften der Fotografie sind Reise- und Streetfotografie, zwei Genres, die sich sehr gut miteinander kombinieren lassen. Andere Bereiche der Fotografie sind nicht so umfassend, wie diese beiden, erfordern Sie doch sowohl den Blick für den Bildaufbau, schnelles Erkennen und Handeln, Kenntnisse von der Architekturfotografie bis hin zur Porträtfotografie und dem Umgang mit Menschen, als auch das Verständnis und das gekonnte Spiel mit Licht und Schatten.
Wir haben Klaus gebeten, uns mit 10 seiner Bilder mit auf eine kleine Reise zu nehmen, uns die Geschichte hinter den Bildern zu erzählen und den einen oder anderen Tipp zu teilen, mit dem auch wir die Aufnahmen von unserer nächsten Reise verbessern können.
1. Antwerpen – Die Reise beginnt
35-150 mm f2-f2,8 @ 49 mm, 1/125 Sek, f/4, ISO 3200
Für mich ist es die Aufnahmeposition, die dieses Bild ausmacht. Ich befinde mich mit der Kamera auf Bahnsteighöhe und fast auf den Gleisen – ein Effekt, der sich erreichen lässt, indem man die Position entsprechend verlagert. Im Zweifel darf man sich nicht zu schade sein, auch mal ein wenig schmutzig zu werden (dabei bitte immer auf die eigene Sicherheit achten!) oder die voreingestellte Kamera am ausgestreckten Arm zu halten. Ein Schwenkdisplay leistet hier großartige Hilfe bei der Bildkomposition.
Bei der Gestaltung des Bildes war es mir wichtig, dass die Hauptlinie ins Bild der Bahnsteig ist, also die Kante, an der normalerweise der Zug fahren würden. Außerdem habe ich darauf geachtet, dass die Abstände innerhalb des Bildes passen, dass also der Raum des Reliefs an der linken Wand in etwa dem Raum der Glasscheiben auf der rechten Seite entsprechen.
Die im Bild positionierte Person war in diesem Fall ein Teilnehmer meines Workshops, aber auch mit ein wenig Geduld wäre es sicherlich zu einer ähnlichen Aufnahme gekommen. Ist man allein unterwegs, lassen sich solche Bilder trotzdem umsetzen, weil immer wieder Reisende den Bahnsteig betreten, um auf den Zug zu warten.
Ein Foto wie dieses eignet sich hervorragend, um den Beginn oder das Ende einer Reise zu dokumentieren.
2. Porto – Linien
35-150 mm f2-f2,8 @ 150 mm, 1/400 Sek, f/4,5, ISO 320
Mit diesem Bild reisen wir nach Porto, auch wenn es ebenso gut an einem beliebigen anderen Ort dieser Welt entstanden sein könnte. Es klassifiziert sich daher für mich mehr als Streetfotografie, auch wenn es während einer meiner Reisen entstanden ist.
Hier haben wir ein Beispiel, bei dem ich tatsächlich gewartet habe, bis sich jemand genauso durch das Bild bewegt, wie ich es mir vorgestellt habe.
Für meine Komposition habe ich die gelbe Linie senkrecht im Bild platziert, was gleichzeitig die Straßenbahnschienen von links oben nach rechts unten durch das Bild laufen lässt. Dann hieß es warten, bis eine Person den Weg von unten links nach oben rechts im Bild wählt. Wichtig ist hier, dass die Person sich nicht auf den Schienen, sondern genau dazwischen befindet – so überzeugt das Bild durch eine starke Linienführung der sich kreuzenden Straßenbahnschienen, des gelben Strichs und des Wegs des Mannes. Die Unterbrechung der gelben Linie durch den Gullydeckel, der sich auf auch noch auf einer „Schienenebene“ mit der Person befindet, ist für mich ein weiterer Hingucker.
3. Kalkutta – Die Bildaussage
35-150 mm f2-f2,8 @ 58 mm, 1/10 Sek, f/18, ISO 2000
Mit diesem Bild befinden wir uns in Indien, genauer gesagt in Kalkutta.
Als ich das Gitter mit dem Schild „GO SLOW“ entdeckt habe, war mir klar, dass sich hier das Spiel aus Stillstand und Bewegung inszenieren möchte, schließlich gibt die Beschriftung schon den perfekten Hinweis darauf. Ich wollte also Bewegungsunschärfe mit in das Bild integrieren, weshalb ich auf einen Bus gewartet habe, der mit einer längeren Belichtungszeit für die Bewegungsunschärfe sorgt. Der Bus sorgte auch dafür, dass ein Mann an der Straße stehen blieb, weil er die Straße überqueren wollte. Tatsächlich sorgt er mit seinem Stillstand an der Straße noch mal für einen Kontrast zu der Aussage, dass man an dieser Stelle langsam gehen soll.
Farblich haben wir in diesem Bild einen schönen Kontrast zwischen dem grün im oberen Bereich und dem roten Bus, das sich zufällig sogar im roten Hemd des Wartenden wiederfindet. Damit sich erklärt, woher das Grün im hinteren Bereich kommt, war es mir wichtig, noch einen Baumstamm mit abzubilden. Die Kontraste aus Farben, Stillstand und Bewegung, Natur und Asphaltstraße sind es, die für mich dieses Bild ausmachen.
4. Varanasi – Gewusel in der fremden Stadt
20-40 mm f2,8 @ 20 mm, 1/5 Sek, f/14, ISO 500
Ein weiteres Bild aus Indien. Entstanden ist es in Varanasi, einer Stadt am Ganges mit mehr als 1 Million Einwohnern. Um das Gewusel an dieser nicht gerade sehr einladenden Straßenecke einzufangen, habe ich ein Weitwinkel gewählt und mich an der gegenüberliegenden Seite postiert. Obwohl ich kein Stativ dabeihatte, gelang mir die Erreichung der Bewegungsunschärfe durch Verwendung des Stabilisators und eine ruhige Hand. Diese erreicht man am besten, indem man beim Fotografieren die Ellenbogen gegen den Körper stützt und bewusst in einer Atempause fotografiert. So lassen sich längere Belichtungszeiten erzielen – ein niedrigerer ISO-Wert gibt den restlichen Spielraum.
Die blaue Kante des Gebäudes mit den zwei Dachrinnen habe ich mittig platziert und darauf gewartet, dass sowohl rechts als auch links des Gebäudes Bewegung durch vorbeieilende Leute entsteht.
5. Varanasi – Porträtfotografie am Fluss
35-150 mm f2-f2,8 @ 35 mm, 1/2000 Sek, f/3,2, ISO 1250
Porträts gehören für mich zur Dokumentation einer Reise, denn die Begegnung mit den Menschen sind es, die mir wichtig sind und ich erinnere mich später gerne mit Hilfe der Porträts daran zurück. Intime Porträts entstehen nicht, ohne dass man mit den Menschen ins Gespräch kommt, Vertrauen schafft und eine kurzfristige Beziehung aufbaut.
Natürlich gilt in Varanasi eine Bootsfahrt entlang der Stadt auf dem Ganges als unverzichtbar und dementsprechend habe ich entlang des Flusses jemanden gesucht, der für so eine Tour in Frage kommt. Ich fand ihn mit dem obigen Bootsbesitzer, mit dem ich einen Termin für den nächsten Morgen ausgemacht.
Einige Stunden später am selben Tag sieht er mich etwas oberhalb der Boote während ich fotografiere. Er bittet mich auf sein Boot, um mir von dort aus bessere Bilder zu ermöglichen. Das war der Moment, in dem ich ihn um ein Porträt gebeten habe.
Seine Haltung habe ich für das Bild nicht verändert, denn mir war aufgefallen, dass er die ganze Zeit die Position in dieser Position saß hat und ich wollte ein authentisches Bild von ihm. Für das Bild befinde ich mich auf dem Boot in gleicher Höhe wie er und mir war es wichtig, sein Boot und den Fluss mit abzubilden, um gleich zu zeigen, dass diese sein Leben ausmachen. Ich sitze ihm mittig gerade gegenüber, was dafür sorgt, dass auch die Planken gerade im Bild zu sehen sind.
Für die Belichtung des Bildes habe ich mit mittenbetonter Messung auf sein Gesicht belichtet und die Belichtungszeit ein wenig verlängert, damit im insgesamt hellen Bild die Aufmerksamkeit wegen des Kontrasts direkt auf ihn fällt.
6. Kalkutta – Unterwegs im Taxi
20-40 mm f2,8 @ 20 mm, 1/100 Sek, f/14, ISO 400
Für mich ist dies ebenfalls ein klassisches Reisebild, bei dem meine Reise in Indien sehr gut dokumentiert wird. Ich war in einem Taxi unterwegs und erneut haben wir im Bild eine Bewegung durch den Bus, der in entgegengesetzter Richtung unterwegs war.
Dass mein Fahrzeug ein Taxi ist, erkennt man auf den ersten Blick am Interieur des Fahrzeugs, das im Vordergrund mit abgebildet ist. So erzähle ich dem Betrachter gleich etwas darüber, wie ich unterwegs war und vielleicht hat er sofort den Geruch des Auto-Innenraums in der Nase, den er mit Taxis (in Indien oder anderswo) assoziiert.
In der Nachbearbeitung habe ich mich auf die Farbe Orange konzentriert, denn in vielen Ländern sind Taxis orange, was leicht zur Identifizierung des Fahrzeugs beiträgt. Dass der Bus ebenfalls Orangeanteile enthält, war ein glücklicher Zufall.
7. Porto – Schattenwurf
35-150 mm f2-f2,8 @ 41 mm, 1/120 Sek, f/13, ISO 800
Das Interessante für mich an diesem Bild aus Porto ist die gerade Hauptlinie, die durch das Geländer gebildet wird, sich bis in die Ferne fortsetzt und das Bild in zwei Hälften teilt. Für die Aufnahme befand ich mich mit der Kamera direkt über dem Geländer und durch die schon etwas schräg einfallende Sonne am Nachmittag ist der Zaun dank Schattenwurf gut erkennbar.
Auf der linken Seite geht ein Weg hinunter, auf dem Fußweg rechts läuft eine Person, die ebenfalls einen Schatten wirft, den Schatten des Geländers jedoch nicht überlagert. Weiter hinten befindet sich eine zweite Person, die dem Bild zusätzliche Tiefe verleiht.
Dieses Bild funktioniert allerdings nur durch die Umwandlung in Schwarzweiß, denn Farben würden zu sehr ablenken. So wandert der Blick durch die erzeugten Kontraste von der hellen, dreieckigen Lichtfläche links auf dem Weg hinunter zum Geländer, dann hinauf zur ersten Person und abschließend zur zweiten Person in der Distanz.
Bei solchen Aufnahmen empfiehlt es sich, ein wenig unterzubelichten, um einen stärkeren Kontrast zu erzielen.
8. Siena – Schattenspiel
35-150 mm f2-f2,8 @ 35 mm, 1/400 Sek, f/13, ISO 250
Dieses Schattenspiel habe ich in Italien fotografiert. Im Gegensatz zu den Bildern zuvor, bei denen ich teilweise längere Zeit auf Personen im Bild gewartet habe, musste ich hier schnell handeln, damit ich das durch das Licht entstehende Dreieck ausnutzen könnte. Ich habe also etwas gesehen und darauf reagiert: die Kombination aus Licht und Schatten und der Frau, die sich genau im perfekten Bildbereich befindet. Der angeschnittene Fensterrahmen, der Schattenwurf entlang der senkrechten Mauer und der Rundbogen im Gemäuer gegenüber, dessen gedachte Weiterführung direkt auf die Frau hinweist, betonen das Motiv indem sie den Blick leiten.
Wichtig bei solchen Bildern ist es, dass man als Fotograf wirklich gerade zum Motiv ausgerichtet steht, damit die Perspektive nicht verzerrt wird.
9. Lissabon – Bewegung durch Zoomeffekte
35-150 mm f2-f2,8 @ 44 mm, 1/8 Sek, f/18, ISO 50
Zurück in Portugal befinden wir uns mit diesem Bild in Lissabon und die für diese Stadt typische Straßenbahn habe ich hier zum Hauptmotiv meines Bildes gemacht.
Zurück in Portugal befinden wir uns mit diesem Bild in Lissabon und die für diese Stadt typische Straßenbahn habe ich hier zum Hauptmotiv meines Bildes gemacht. Der Bewegungseffekt entsteht in diesem Fall durch eine längere Belichtungszeit (ungefähr 1/10 Sek) und eine Drehbewegung an meinem Zoom-Objektiv. Dazu fokussiere ich zunächst auf die Straßenbahn und drehe dann gleichzeitig mit der Auslösung mit einer gleichmäßigen Bewegung am Zoom. Durch die Bewegung der Bahn und das Zoomen entsteht der Eindruck einer großen Geschwindigkeit und gleichzeitig der Effekt, der das Auge des Betrachters in die Bildmitte – zur Straßenbahn – zieht.
10. Lissabon – Architektur in Weiß
35-150 mm f2-f2,8 @ 35 mm, 1/1250 Sek, f/5,6, ISO 500
Bei diesem Bild aus Lissabon habe ich mich wieder ganz bewusst für eine Schwarzweiß-Umsetzung entschieden um es möglichst zu reduzieren. Auffällig ist, dass es nur wenige dunkle Elemente im Bild gibt, die Sonne steht recht hoch am Himmel, wodurch nur wenige Schatten entstehen und der Baum sofort ins Auge fällt.
Um das zu erreichen, habe ich für die Belichtung eine Spotmessung auf das dunkelste Element im Bild durchgeführt: den Olivenbaum. Diesen Baum habe ich als zentralen und kraftvollsten Punkt meines Bildes gewählt, auf den die Linien zulaufen und dessen Struktur trotz des großen Kontrasts noch sichtbar sein sollte. So entstand ein fast abstraktes Bild, das eine klare Aufteilung und gerade Ausrichtung hat.
Zwar wird oft gepredigt, dass die Platzierung des Motivs in der Bildmitte langweilig sei, aber in diesem Fall funktioniert der Bildaufbau durch den starken Kontrast und die Linienführung hervorragend.
Über den Autor – Klaus Wohlmann
https://www.workshop-fotografie-kw.com/
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